Samstag, 25. April 2009

Episode 16: Vanilleeis mit heißen Kirschen oder alle Farben des Regenbogens

Gestern kam Michael Szecsenyi ein Klavierbauer aus Österreich, den ich über das Clavio Forum kennengelernt habe und von dessen Arbeit ich vorher schon absolut fasziniert war. Ein Wort, das meine Hochachtung vor seiner Arbeit jetzt beschreiben könnte, gibt es leider nicht. Zumindest fällt es mir nicht ein.


Im Vorfeld hatten wir schon häufig gemailt und er sagte mir, was er bei einem Klavier in diesem Alter (22 Jahre) für Arbeiten empfehlen würde. Da ich auf dem Standpunkt stehe, dass ein Instrument länger hält, wenn es optimal gepflegt und eingestellt wird, war ich sofort damit einverstanden.


Gestern war es dann so weit mein 22 Jahre altes Schimmel 112er Klavier wurde überholt. Es war äußerst interessant, was man damit alles angestellt wurde. Zeitweilig lag die Mechanik draußen, bei schönstem Wetter, auf der Biertischgarnitur und wurde überarbeitet.


Die Rillen, die sich über die Jahre in die Filze geschlagen hatten, wurden durch Schleifen entfernt, die Mechanik wurde komplett mit Druckluft gereinigt und es war unfassbar, wieviel Staub und Dreck sich in 22 Jahren in ihr angesammelt hat. Zum Glück wurde das im Garten gemacht :=). Danach wurde verharzte Schmierreste entfernt und die Mechanik mit einem Teflonpuder eingepudert, damit sie ganz leise und gleichmäßig läuft.


Weiter ging es dann in meinem Proberaum. Zuerst wurde das Klavier von innen mit einem Staubsauger gereinigt, dann wurden die kompletten Tasten entfernt und auch das Tastenbett gereinigt. Es wurde jeder Stift einzeln mit einer Art Hischhorntalg gefettet, damit die Tastatur wieder schön gleichmäßig, leicht und gut läuft und schon kamen alle 88 Tasten wieder an ihren Platz.


Dann fing das Stimmen an. Mir ist es ein absolutes Rätsel, wie man aus all diesen Wirbeln immer den richtigen herausfinden kann. Michael hat das auf jeden Fall perfekt im Griff. Mit jedem Ton mehr, hört man, wie besser es schon klingt. Es wurde komplett 2x durchgestimmt und dann hier und da nochmal einzelne Töne perfektioniert.


Danach wurden die Hammerköpfe ausgerichtet die nicht mehr gerade auf die Saiten trafen. Da hatte ich ja schon ein bisschen Angst, weil hier ein Feuerzeug von Nöten war und ich immer in Panik war, dass die Filze oder das Holz anfängt zu brennen. Natürlich vollkommen unbegründet. Wenn einer weiß was er macht, dann Michael.


Dann ging es an’s fein Tuning. Hier und da wurde nochmal an den Hammerfilzen etwas nachgeschliffen und dann kam dieser mini Drahtkamm zum Einsatz. Absolut faszinierend. Mal wurde an einigen Filzen etwas fester zugestochen, mal nur leicht „toupiert“, mal von vorne, mal von hinten, mal wenig mal mehr. Zwischendurch immer mal wieder den Klang überprüfen und sehen, dass er sich harmonisch in das Gesamtbild einfügt.


Jemanden, der mit soviel Herzblut, Liebe und Fachwissen an seine Arbeit rangeht ist schon sehr selten. Es musste alles perfekt sein und das ist es dann auch nach über 6 Stunden harter Arbeit geworden! Ich habe das Gefühl ein vollkommen neues Klavier zu haben. Es fühlt sich an, als wäre es vorher nur auf 2 Zylindern von 6 gelaufen und entfaltet jetzt seine ganze Bandbreite. Vorher habe ich eigentlich nichts vermisst, aber nachdem es jetzt so reguliert und überarbeitet wurde, höre ich erstmal, was man aus einem Instrument machen kann. Einfach unglaublich.
War es vorher Vanilleeis, dann ist es jetzt Vanilleeis mit heißen Kirschen oder alle Farben des Regenbogens mit all ihren kleinsten Nuancen. FANTASTISCH.


Ich glaube nicht, dass jeder so eine unglaublich perfekte Arbeit abliefert. Hier ist kein Handgriff 0815 von der Stange, hier ist alles eine Maßanfertigung die zum Instrument individuell abgestimmt und angepasst wird. Ein Maßanzug für ein Klavier.


Jetzt kann ich nichts mehr auf mein Klavier schieben, das ist in absoluter Bestform. Wenn etwas jetzt nicht funktioniert, dann liegt es eindeutig an mir und dann sind es Dinge an denen ich arbeiten muss.


Die Überholung habe ich versucht in einem kleinen Film festzuhalten. Teilweise habe ich aber am Ende vor lauter Faszination vergessen zu Filmen, tut mir leid.

Freitag, 10. April 2009

Episode 15: Euphorie, Frühlingsgefühle oder am Rande des Wahnsinns?

Keine Ahnung aber seit ein paar Tagen bin ich total euphorisch und hibbelig, wenn ich Üben kann. Hatte mal einen kleinen Durchhänger, aber momentan bin ich anscheinend ein Brunnen von Glückshormonen. Habe ja den leisen Verdacht, dass das Gehirn das zwischenzeitlich ohne jegliche Grundlage macht, damit die Klavierlehrer nicht arbeitslos werden J. Mein 4. Monat Klavierunterricht hat im April angefangen und es macht mir nach wie vor jede Menge Spaß.


Mein Lehrer meinte, ich sei nicht so einfach. Ich habe Notenkenntnisse, eine gute Portion Talent, konkrete Vorstellungen, aber leider auch jede Menge Ungeduld und spiele nicht jedes Stück, das man mir gibt. Tja, das bringt es wohl auf den Punkt. Mein Name ist mos und ich bin eine Klavier Zicke! Gibt es für sowas eigentlich Selbsthilfegruppen, wie die AKZ (anonymen Klavier Zicken)?

Meine Ungeduld ist das Schlimmste! Die muss ich in den Griff bekommen. Ich will alles jetzt oder am liebsten schon gestern. Viel zu oft, spiele ich Stücke einfach viel zu schnell. Jetzt habe ich slow-music verordnet bekommen. Fällt mir sehr schwer, ist aber besser, weil ich dazu neige gerne mal zu „huddeln“.


Ich kann jetzt nicht wirklich sagen, dass ich wahnsinnige Fortschritte gemacht hätte, die diese Euphorie begründen könnten oder ich ein super schweres Stück spielen könnte. Ich habe nur einfach das Gefühl, meine 10-Finger-Bande immer besser in den Griff zu bekommen Sieht vielleicht nicht so aus, fühlt sich aber so an. Das Schreckgespenst Bassschlüssel verliert langsam seine Wirkung. Seit dieser Woche übe ich ein Jazz Excercise, das mir sehr viel Spaß macht. Ich finde es natürlich mal wieder schwer. Muss viel hin und her mit der rechten Hand, aber es klappt immer besser.


Das Ergebnis könnt ihr hier sehen, aber Achtung! SLOW-MUSIC!

Oh, mir fällt gerade auf, das ist das erste Stück, dass ich auf meinem guten Schimmel einstelle. Ende des Monats wird es überholt und klingt nicht mehr ganz so schräg.


Dazu arbeite ich an der Musiktheorie. Ich übe Akkorde und Voicings aufzuschreiben, zu Stücken die ich normalerweise singe. Wenn man einmal den Aufbau eines Akkords verstanden hat, kann man sich jeden Akkord zusammen suchen. Bei mir dauert es zwar noch, aber das wird mit der Zeit bestimmt besser. Schwieriger finde ich, mit der linken Hand den Basston zu spielen und mit der Rechten, das Voicings zum Akkord. Im Moment nichts Wildes einfach die Terz und die Septime, aber ich finde es sehr abstrakt und schwierig. Kann vom Kopf her noch keinen Zusammenhang herstellen, wenn ich es mit zwei Händen greife.

Freitag, 3. April 2009

Episode 14: Die Schönheit kommt von innen

Oh, ich habe gerade mit Schrecken gesehen, dass mein letztes Update fast einen Monat her ist. Irgendwie verfliegt die Zeit im Moment.

Die wichtigste und größte Neuigkeit ist. ICH HABE MEIN EIGENES KLAVIER! Das ist so ein tolles Gefühl. Es steht jetzt schon fast 3 Wochen in meinem Musikzimmer und ich kann mich nicht satt dran sehen. Am liebsten würde ich es immer offen stehen lassen. Dieses Innenleben fasziniert mich. So viel Technik , so viele Kleinigkeiten, die im Ganzen dem Klavier diese wunderbaren Töne entlocken, so viel Schönheit. Ich sitze dann immer davor und denke mir, wie ein Mensch sich so etwas Komplexes und wunderschönes ausdenken kann. Von aussen betrachtet ist mein Schimmel 112er Klavier eher nüchtern. Keiner Schnörkel, keine Spielereien, aber von Innen ist es wunderschön.

Ende des Monats kommt der Klavierbauer und wird es komplett durchchecken und einstellen, dann wird es noch schöner klingen. Der Umstieg von einem E-Piano auf ein richtiges Klavier ist schon beachtlich. Zumindest für mich. Das Klavier reagiert viel sensibler auf die kleinsten Veränderungen im Anschlag und das macht mir noch zu schaffen. Vielleicht ist es nach der Überholung nicht mehr ganz so krass, aber momentan bin ich anscheinend nicht sensibel genug um einen leisen Anschlag hin zu bekommen.

Eine kleine Anekdote die ich euch nicht vorenthalten möchte.
An dem Morgen bevor das Klavier geliefert wurde, bin ich mit einem Albtraum aufgewacht. Ich war voll neben der Spur und den ganzen Vormittag verdreht. Hier also was ich geträumt habe.
Die Klavierspediteure kamen und waren schon mal super unfreundlich und unkooperativ. Sie tragen das gute Stück in meinen Proberaum und stellen es einfach mittenrein. Ich sage ihnen, sie sollen es bitte an den vorgesehenen Platz stellen, das machen sie aber nicht.
Dann nehmen sie die Decke ab und ich sehe, dass es gar nicht mein Klavier ist. Es ist ein uraltes Clavinova Digitalpiano,was total alt und ramponiert aussieht und keinen Mucks von sich gibt. Man hat den Schriftzug Clavinova durchgestrichen und groß mit Edding "Schimmel" drauf geschrieben.Teilweise war es mit Eiche-Dezifix beklebt.
Die Jungs meinte, da könnten sie nichts für, das hätten sie da abgeholte. Die Verkäufer kann ich nicht erreichen und bin mit den Nerven am Ende. Leider weiß ich nicht, wie dieser Traum ausgeht, der Wecker hat geklingelt und ich bin voll neben der Spur. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Die Transporteure (Pianophil) waren super freundlich und nett und haben mir das gute Stück dann Mittags gebracht.

Hier ist mal ein kleiner Film von meinem Klavier.




Ansonsten gehorchen mir meine Finger immer besser. Es sieht nicht mehr ganz so steif und angestrengt aus, wenn ich etwas spiele. Natürlich würde ich gerne schon viel mehr spielen können, aber man muss sehr viel Geduld haben, was ja leider eine meiner schwächsten Eigenschaften ist.

Ich freue mich jeden Tag, an dem ich Üben kann und bin sehr gespannt, wie weit ich in einem Jahr sein werde.